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bees Wohnzimmer

Sonntag, Januar 18, 2015

ET-10: Alles öko, oder was? Die Sache mit der Hausgeburt (Fragen 8 & 11)

Disclaimer: Im folgenden wird recht explizit auf den Geburtsvorgang eingegangen inkl. Nennung der Tatsachen. Wer da empfindlich ist, sollte heute einfach woanders weiterlesen.

8. Frage: Die Geburt zu Hause verlief wie folgt

Ich kann ja nur von der ersten (2012) berichten, die zweite steht ja noch aus (immer noch!).

Kommentare aus dem Off sind kursiv geschrieben. (Ja, ich spreche manchmal mit mir selber. Warum fragt ihr? *g*)

Den ganzen Tag, es ist Mittwoch vor Pfingsten, bin ich irgendwie völlig k.o. und sehr ambivalent. Ich will unbedingt ausruhen, kann aber nicht vernünftig liegen. Ich will meine Ruhe, aber nicht alleine sein. Ich habe Hunger, aber keinen richtigen Appetit auf irgendwas. Ich will Unterhaltung, aber dann ists doch zu nervig. Es ist zu warm, es ist zu kalt. Irgendwie ist mir nichts recht. Ständig drückt die Blase und dann reichts doch nur für ein paar Tropfen. Gnarf. Großes DOPPELGNARF!

Und eigentlich sind es ja auch noch fünf Tage bis zum errechneten Termin, ich gehe also davon aus, daß es noch locker zwei bis zweieinhalb Wochen dauern kann. Mit Geburt habe ich an diesem Tag noch nicht gerechnet. Der Mann kam am Tag zuvor von der Dienstreise zurück, wird aber wohl einen sehr langen Tag im Büro verbringen. Ich habe also alle Zeit der Welt, mir selbst auf den Keks zu gehen.

Ich nerve mich also selbst und pendle zwischen Wohnzimmer und Bad. Immerhin kann ich noch was bloggen, ohne zu viel schlechte Stimmung reinzubringen. Abends könnte ich zum Yoga gehen. Ich bin unentschlossen (wie überraschend). Die Yogastunde ist abends um 8, ich habe also noch Zeit und kann auswürfeln, ob ich hingehe oder nicht. Es ist eine offene Gruppe, d.h. man kann ohne Anmeldung hingehen und wenn man Glück hat, ist die Stunde noch nicht ganz voll.

Ich treibe mich auf Twitter rum und werfe die Frage in den Raum, ob ich wohl zum Yoga gehen soll oder nicht, weil alles gnarf und so. Antwort: Raff Dich auf und geh hin. Na gut. Eigentlich wäre ich zu lethargisch gewesen, aber ebenso eigentlich weiß ich auch, daß mir, wenn ich mich (bzw. den inneren Schweinehund) erst mal überwunden habe, die Stunde eigentlich ganz gut tun wird.

Inzwischen ist es 20 Uhr. Beim Yoga angekommen sind wir tatsächlich nur zu viert zzgl. der kursleitenden Hebamme. Der Kurs findet in der Hebammenpraxis statt, in der Minimeins auch zur Welt kommen soll. Zu dem Zeitpunkt hat sich meine Laune auch schon wieder ein wenig verbessert (ich bin abends immer besser drauf als tagsüber). Eine andere Teilnehmerin hat ca. 2 Wochen nach mir Termin (erstes Kind), eine weitere noch etwas mehr Zeit, bekommt aber schon das zweite Kind und die dritte ist frisch schwanger mit dem ersten Kind. Und ich. Ich scherze noch ein wenig rum, daß ich sicher die nächsten 2 Mittwoche auch noch kommen werde, 40. Woche hin oder her (und das, wo ich mich vorher gar nicht aufraffen konnte. Erstaunlich, erstaunlich...).

Wir fangen an mit einer Entspannungsübung. Erst mal hinlegen und atmen und zur Ruhe kommen. Ich liege auf der Seite und versuche, mein oberes Bein irgendwie anders zu betten, als ich ein Knacken in der Symphysengegend höre (so als wenn ein Gelenk knackt). Na toll, denke ich völlig genervt, die Symphyse tat schon die ganze Zeit immer mal wieder weh, jetzt hat sich da doch hoffentlich nix ausgerenkt oder so? Mir tut aber nix weh. Jedenfalls nicht mehr als vorher. Die Symphyse auch nicht. Seltsam. Aber ich sollte dringend mal zur Toilette gehen, die Blase drückt schon wieder.

Ich wuchte mich hoch und merke, wie es nass wird. Na toll, Schwester Inkontinentia ist da, jetzt aber zügig. Für eine Hochschwangere sprinte ich recht behände aus dem Raum, kann das Wasser aber nicht halten. Thuper... Auf der Toilette dämmert mir dann langsam, daß das wohl Fruchtwasser ist. Häh? Jetzt schon? Ich war doch so sicher, noch gut zwei Wochen schwanger zu sein, bevor das Kind kommt. Jetzt sitze ich da und weiß erst mal nicht weiter und gerate vorsichtshalber erst mal ein bißchen in Panik. Vor lauter Überraschung habe ich nämlich alles vergessen. Und meine Hose ist auch nass, igitt. Anderseits ist es immerhin nur Fruchtwasser. Hm. Was mache ich denn jetzt???

Ich versuche, mich ein wenig trockenzulegen und gehe wieder in den Kursraum. Die Damen haben die Entspannungsübung beendet und turnen schon die erste Yogaübung. Ich sprenge jetzt den Kurs: "Ich glaube, meine Fruchtblase ist gerade geplatzt." Die kursleitende Hebamme ist zwar überrascht, aber sie grinst und meint, sie habe sich schon gewundert, wie schnell man in der 40. Woche noch rennen kann. Meine Panik habe ich leider nicht im Bad gelassen und so meint sie, wir würden jetzt erst mal nachschauen, ob alles in Ordnung wäre und dann mal sehen, wie es weitergeht. Das beruhigt mich schon wieder etwas.

Wir gehen rüber in einen anderen Raum mit einer Liege und sie tastet erst mal, wie das Baby liegt. Der Kopf sitzt ganz fest im Becken und lässt sich nicht mehr wegschieben. Dunkel dämmert mir, daß meine Hebamme bei der letzten Vorsorge (knapp 2 Wochen zuvor) dasselbe sagte. Dann hört sie die Herztöne des Babys ab und meint, die wären auch in Ordnung. Ich könnte also in Ruhe und nicht zwingend liegend weitermachen. Außerdem gibt sie mir noch ein paar Einlagen für die nasse Hose. Inzwischen lugen die 3 anderen Kursteilnehmerinnen um die Ecke und fragen, ob sie reinkommen dürfen. Die Hebamme beruhigt mich noch ein bißchen und fragt nach, was ich in Sachen Geburt denn geplant hätte. Ich sage, daß ich eigentlich hier, in der Hebammenpraxis, mein Kind bekommen möchte, aber wohl vorher erst mal nach Hause sollte. Die Hebamme schlägt vor, erst mal meinen Mann anzurufen und dann mit dem Taxi nach Hause zu fahren. Dort solle ich dann mit meiner Hebamme telefonieren und mit ihr besprechen, wie es weitergeht.

So machen wir das. Inzwischen bin ich auch schon ein bißchen ruhiger geworden (allerdings nicht mehr ganz so entspannt wie in der Entspannungsübung). Ich rufe den Mann an (der ist noch im Büro, das aber nur eine U-Bahn-Station entfernt liegt), erreiche ihn überraschenderweise auch sofort und sage ihm, daß meine Fruchtblase geplatzt sei und er mich abholen kommen solle, damit wir nach Hause fahren können. Schweigen am anderen Ende. Dann fragt er ganz aufgeregt (fast so wie ich kurz vorher noch war), ob ich das ernst meine. Nee, das ist nur eine Übung für den Ernstfall. Ja, das meine ich ernst, und bin plötzlich wieder ganz ruhig. Reicht ja, wenn einer aufgeregt ist. Ich beschreibe ihm noch mal für Doofe (zum Runterkommen sozusagen), wie er von der U-Bahn-Station zur Hebammenpraxis kommt. Er war zwar beim Geburtsvorbereitungskurs schon mal dort, aber das ist 7 Wochen her und das kann man in der Aufregung schon mal vergessen.

Die andern Yogakursteilnehmerinnen haben ganz viele Fragen (auch die mit dem zweiten Kind), die Hebamme fragt, wie lange der Mann wohl brauchen würde und ob sie schon mal ein Taxi rufen solle (das habe ich schon wieder ganz vergessen) und ob ich Wehen habe. Nur ein paar Minuten, ja, bitte und nein, habe ich (noch) nicht. Dann warten wir alle gemeinsam. Es klingelt in der Hebammenpraxis, aber es ist erst mal nur das Taxi. Die Hebamme vertröstet den Fahrer, daß es noch einen Moment dauere. Irgendwann kommt auch der Mann an (warum hat das so lange gedauert?) und ist etwas fahrig und überfordert. Ich bin inzwischen wieder recht ruhig und mache Witzchen, daß ich später in der Nacht für die Geburt ja wieder herkommen würde.

(Nur nebenbei: Die Yogakurshebamme meinte, ich wäre in ihren 20 Jahren Berufserfahrung tatsächlich die erste gewesen, der im Yogakurs die Fruchtblase geplatzt sei, das sei für sie auch neu. Und auch wenn amerikanische Filme einem gern mal das Gegenteil einreden wollen, passiert das nur rd. 10% aller Schwangeren, daß die Fruchtblase vorher platzt (und dann auch meistens zu Hause) und die Wehen danach erst losgehen. Für den Fall der Fälle sollte man also vielleicht ein paar Einlagen in der Handtasche haben, aber auch im Hinterkopf behalten, daß es eher unwahrscheinlich ist, daß einem unterwegs (!) die Blase platzt.)

Wir fahren dann also erst mal nach Hause (so weit ist das nicht und zum Glück ist nicht viel Verkehr). Ich erkläre dem Mann, daß er noch was unterschreiben und zum Briefkasten bringen muß, was auf dem Schreibtisch liegt. Das ist eine bekannte Situation und bringt auch ihn langsam wieder runter. Zu Hause bin ich ganz froh, daß ich meine nasse Hose erst mal loswerde. Ich habe gaaaanz leichte Wehen ca. alle 10 Minuten. Es ist kurz nach neun. Als der Mann vom Briefkasten zurückkommt und ich mir was anderes angezogen habe, warte ich noch mal auf die nächste Wehe, um den zeitlichen Abstand noch mal nachzusehen, bevor ich gegen halb 10 meine Hebamme anrufe. Die weiß schon über meinen Blasensprung Bescheid (die Yogakurshebamme hatte sie schon informiert) und rät mir, solange die Wehen noch aushaltbar seien, erst mal noch das Normalprogramm zu fahren. Was essen, vielleicht etwas schlafen (wenn möglich) oder auch in die Badewanne legen, um noch mal etwas zu entspannen. Ansonsten solle ich mich wieder melden, wenn sich was ändert oder ich sie einfach sehen möchte.

Was essen klingt gut, auch wenn ich nicht richtig Hunger habe. Aber Energie erscheint mir sinnvoll, also mache ich mir ein Schoko-Banane-Müsli mit noch mal extra Banane drin und esse ein bißchen was davon. Ich bekomme es aber nicht alle. Schlafen ist irgendwie nicht, dazu bin ich dann doch zu aufgeregt, wie es denn jetzt wohl weitergehen wird. Außerdem ist das definitiv eher die Tageszeit, zu der ich am wachsten bin. Die Wehen werden ein bißchen kräftiger und ich beschließe, mich in die Badewanne zu legen. Dort macht es zack-kawumm und die Wehen kommen plötzlich statt alle 10 schon alle 5 Minuten und sind mit einem mal schon sehr viel stärker geworden. Also SEHR. Irgendwie komme ich in der Badewanne nicht klar. Das warme Wasser ist keine Erleichterung, vielmehr fehlt mir der Halt während der Wehen. Und ich habe Rückenschmerzen, Hölle. Also wieder raus. Gar nicht so einfach, aber der Mann hilft mir. (Er hat in der Zwischenzeit seinem Scheff gemailt, daß er wohl ab sofort Urlaub habe. Das wäre dann auch erledigt.)

Außerhalb der Badewanne werden die Wehen sofort noch heftiger (klar, ist ja keine intakte Fruchtblase mehr da zum Abpuffern) und kommen alle 2-3 Minuten. Lang genug sind sie auch. Ich muß schon sehr stark mitatmen. Außerdem weiß ich nicht so recht, wie ich mich in den Wehen bewegen soll oder nicht, liegen oder nicht oder wie oder was. Ich komme mit dem Wehen einfach noch nicht zurecht, kann sie nicht verarbeiten. Sie sind schon sehr heftig. (Hieß es nicht im Geburtsvorbereitungskurs, daß sich das langsam steigert? Den Teil habe ich wohl übersprungen.)

Ich bitte den Mann gegen 23:15 Uhr, die Hebamme noch mal anzurufen. Sie will mit mir selbst sprechen und sagt dann, daß sie vorbeikommt. (Im Nachhinein glaube ich, daß ich nicht genügend mit den Wehen mitgegangen bin, sondern eher gegen sie angearbeitete habe. Was natürlich ziemlich unproduktiv ist, so insgesamt gesehen.)

Ich liege seitlich auf dem Bett. Es brennt nur eine Nachttischlampe und vom Flur scheint ein bißchen Licht herein. Die Jalousien sind unten. Es ist angenehm dunkel und außer meinen eigenen Geräuschen höre ich nichts. Draußen ist es nächtlich still. Wären da nicht diese Hammerwehen, wäre es ein sehr friedliches Bild.

20 Minuten später ist die Hebamme da. Ich würde gerne auf der Seite im Bett liegen bleiben, aber zum einen weiß ich dann während der Wehe nicht, wie ich mich halten soll und zum zweiten kann der Mann dann nicht aufs Kreuzbein drücken, was mir gut täte. Jedenfalls kann er nicht genug drücken, wie ich finde. Ich finde zudem keinen Halt mit den Füßen, auch wenn ich mich gegen den Kopfteil vom Bett stemme. Außerdem ist mir schlecht und ich zittere, weil die Wehen schon so anstrengend sind. Andererseits werde ich auch schon ganz schön laut, anders halte ich das grade nicht aus. (Insofern erstaunlich, daß die Nachbarn später behaupten, überhaupt nichts gehört zu haben.) Ich habe hier gerade definitiv nicht das Heft in der Hand. Mimimi...

Um kurz vor Mitternacht schlägt die Hebamme vor, mal nachzusehen, wie weit der Muttermund ist. Dazu muß ich mich auf den Rücken legen. Das sind sehr schlimme 2 Minuten (wenns überhaupt so lange dauert, es fühlt sich jedenfalls eeeeeewig an). Ich konnte in der gesamten Schwangerschaft kaum auf dem Rücken liegen (beinahe von Anfang an nicht), und jetzt zum Schluß soll das funktionieren? Gut, daß ich ansonsten nicht auf dem Rücken liegen mußte... Die Hebamme fühlt einen nur noch dünnsäumigen Muttermund, der aber nur knapp fingerdurchlässig ist (vulgo: noch fast vollständig geschlossen). Der kindliche Kopf liegt im Beckeneingang, Fruchtwasser kommt keins mehr durch. Sie meint, daß die Intensität der Wehen in keinem Verhältnis zum Muttermund stehen und schlägt vor, mir Buscupan zu geben. Das trägt zur Muskelentspannung bei und hilft oft, die Wehen noch mal etwas zu bremsen, damit sie sich dann etwas besser ertragen lassen und sich im Laufe der Zeit langsam wieder steigern können. So kommt man dann besser mit.

Ich stimme zu und sie spritzt mir das Medikament. (So viel dazu, daß man angeblich bei einer Hausgeburt keine schmerzlindernden Medikamente bekommen kann. Stimmt nicht. Nur eine PDA gibt's natürlich nicht, weil die ein Anästhesist machen muß. Andere Sachen sind aber möglich.) Die Wehen werden daraufhin erträglicher. Ich zittere nicht mehr so fürchterlich, muß mich aber einmal übergeben und danach ist mir immer noch latent übel. Wasser trinken geht aber. Der Mann sagt mir, daß es nach Mitternacht sei und irgendwie hilft mir das, ruhiger zu werden. (Ich wollte auf gar keinen Fall noch am Mittwoch das Kind bekommen. Aus Gründen.) Ich probiere mal verschiedene Haltungen aus, um die Wehen besser verarbeiten zu können, denn sie werden ja wieder stärker werden. Im Vierfüßlerstand geht es momentan am besten. Außerdem kann mir der Mann in der Haltung am besten gegen das Kreuzbein drücken in der Wehe. Das tut gut. Ich habe mich wieder ein bißchen sortiert und komme auch wieder besser mit der Situation zurecht.

Es ist viertel nach eins. Die Wehen kommen jetzt regelmäßig ca. alle 4 Minuten und sind nicht mehr ganz so lang (aber noch lang genug, um wirksam zu sein). Die Hebamme meint, es sei wegen des noch nicht weit geöffneten Muttermundes noch nicht so sinnvoll, in die Hebammenpraxis zu fahren. Die Geburt könnte schon noch eine Weile auf sich warten lassen. (Im Durchschnitt öffnet sich der Muttermund ca. 1 cm pro Stunde. Demnach dauert es etwa 10 Stunden, bis der Muttermund vollständig geöffnet ist. Bei einem gerade mal fingerdurchlässigen Muttermund hätten wir also noch rund 8-9 Stunden Zeit gehabt.) Sie überzeugt sich, daß wir auch allein zurechtkommen und fährt dann noch mal nach Hause. 

(Im Nachhinein hat sich diese Verschnaufpause als sehr segensreich erwiesen. Ich konnte noch mal Luft holen und dann etwas gestärkter wieder in die Geburt starten.) 

Wir sollen uns wieder melden, wenn die Wehen wieder stärker werden oder sich sonst irgendwas ändert oder ich einfach das Bedürfnis dazu habe. 

(Später erzählt sie mir, sie habe in dem Moment ein wenig daran gezweifelt, ob es tatsächlich eine außerklinische Geburt wird oder ich nicht doch noch ins Krankenhaus gehe bzw. gehen sollte wegen des Verhältnisses Wehenintensität zu Muttermundsfortschritt.)

Wieder allein versuchen wir, noch etwas auszuruhen, soweit das zwischen den Wehen möglich ist. Zwischendurch hat die Hebamme übrigens immer mal wieder die Herztöne des Babys abgehört, aber das ist ziemlich an mir vorbeigegangen, weil ich so sehr mit mir selbst beschäftigt war. Inzwischen bin ich ruhiger geworden und kann auch besser entspannen. Immer wenn eine Wehe anrollt, rufe ich "Wehe!" und der Mann muß auf mein Kreuzbein drücken. (Später erzählt er mir, daß er Angst hatte, mich in der Mitte durchzubrechen, da er sich teilweise mit seinem gesamten Gewicht (also etwa das doppelte von meinem) auf mein Kreuzbein gestützt hat. Und ich habe ihn meist noch angefaucht, er solle mich nicht kitzeln, sondern bitte mal vernünftig drücken. So unterschiedlich kann man sowas also empfinden.) Ich kann jetzt besser loslassen als zu Beginn der Wehen. Zwischen den Wehen bin ich relativ entspannt. Zwar ausgelaugt, aber entspannt. Relativ sachlich überlege ich sogar kurz die Möglichkeit - im Hinblick auf erwartete 9 weitere Stunden solcher Wehen - vielleicht doch ins Krankenhaus zu gehen und mir eine PDA geben zu lassen. Hm. Ich weiß es noch nicht. Ich mache hier jetzt erst mal noch ein bißchen weiter und überlege dann noch mal.

Die nächsten knapp 2 Stunden gehen im Vierfüßlerstand mit "Wehe!", Kreuzbeingegendruck und zwischendurch Kopf auf der Bettkante ablegen vorüber. War die blöde Bettkante schon immer so niedrig? So richtig bequem ist das nicht. Der komische Pezziball ist aber zu hoch. Passt also auch nicht. Außerdem muß ich dauernd aufs Klo. Das nervt mich, wie soll ich mich denn da auf die Wehen konzentrieren, wenn ich dauernd durch die ganze Wohnung traben muß? Im Bad bleiben will ich aber auch nicht. Außerdem kommen die Wehen jetzt wieder fast minütlich und ziemlich heftig. Und eine Zeichnungsblutung gibt es auch.

Um 3 Uhr bitte ich den Mann, nochmal die Hebamme anzurufen. Ich kann nicht mehr. Irgendwas hat sich geändert, aber ich kann nicht erfassen, was es ist. Ich habe Mühe, die Wehen noch anständig zu veratmen und irgendwie ist da so ein Druck nach unten, aber nicht so richtig das, was ich mir unter Pressdrang vorstelle (außerdem rechne ich ja auch noch nicht mit Pressdrang). Zehn Minuten später ist die Hebamme wieder da. Sie mißt die Herztöne des Babys, die sind ok. Dann schlägt sie vor, noch mal zu schauen, wie weit der Muttermund inzwischen ist. Ich stimme zu, auch wenn ich mich dafür wieder auf dem Rücken legen muß (es ist das letzte Mal, aber das weiß ich zu dem Zeitpunkt ja noch nicht). Der Muttermund ist vollständig geöffnet und der kindliche Kopf schon sehr fest in seiner Position. Irgendwie gibt mir das neue Motivation, von dem, was nun drumherum passiert, bekomme ich jetzt allerdings nicht mehr viel mit. Ich tauche jetzt ab in meine Käseglocke. (Ich bin dann mal weg.)

Am Rande bekomme ich noch mit, daß die Hebamme irgendwas sagt wie "wenn ihr noch in die Praxis fahren wollt, dann jetzt" und ich rufe zwischen zwei Wehen, daß die beiden gerne fahren könne, ich ginge sicherlich nirgendwo mehr hin. Damit ist die Entscheidung zur Hausgeburt gefallen.

(Deswegen ist es also letztlich doch eine Hausgeburt geworden. Minimeins war einfach zu schnell, denn wer rechnet denn beim ersten Kind mit einer vollständigen Muttermundsöffnung in dem Tempo, v.a. wenn sich erst mal gar nix tut.

Der Mann erzählt später, daß die Hebamme nach dem Muttermundsbefund noch gesagt habe: "ihr seid aber flott", was völlig an mir vorbeigegangen ist. Daran kann ich mich partout nicht mehr erinnern. Außerdem sei sie nach meinem Entschluss, daß ich das Kind nun doch zu Hause zur Welt bringen würde, ziemlich zügig losgesprintet und habe diverses Zeugs aus ihrem Auto geholt und in den Flur gestellt. Obwohl ich noch ein paar Mal im Bad war, kann ich mich nicht erinnern, auf dem Weg dorthin was gesehen zu haben, aber er wird schon recht haben. Außerdem hat er zwischendurch starken Kaffee kochen müssen (als Dammschutz), ein Handtuch im Backofen wärmen sollen und ein paar Sachen (Küchenrolle, Müllsack) holen. Auch daran kann ich mich nicht erinnern, aber er hat es offenbar tatsächlich gemacht, sonst wäre das Zeug ja nicht dagewesen. Irgendwann hat es auch angefangen zu regnen, erzählt mir die Hebamme im Nachhinein, sie sei nämlich beim Zeugs holen nass geworden.)

Aber weiter im Geschehen. Ich treibe mich weiterhin auf allen vieren auf dem Schlafzimmerfußboden rum, wo es immer noch angenehm dunkel ist. Der Mann räumt irgendwann noch ein bißchen Platz frei, damit er, ich, die Hebamme und später die Schülerin alle dahinpassen und ein bißchen Zeugs auch noch. Außerdem nöle ich rum, daß er gefälligst anständig auf mein Kreuzbein drücken soll und nicht so lahm. Daß da fast 2 Zentner auf mich drücken, empfinde ich bei weitem nicht so. Ich schiebe sporadisch in dem Wehen mit, der kindliche Kopf tritt gut tiefer. Ich muß immer wieder mal kurz im Bad vorbeischauen. Die Hebamme mißt nun relativ häufig die kindlichen Herztöne, aber das bekomme ich nur am Rande mit.

Irgendwann um kurz nach 4 trifft auch die Hebammenschülerin ein. Wir hatten vorhin irgendwann mal besprochen, ob es mir recht sei, wenn die Hebamme eine Schülerin dazu bittet. Naja, warum nicht. Ich bin inzwischen schon ganz schön fertig und will nicht mehr. Die Wehen werden etwas kürzer. Ich gehe aber wieder in den Vierfüßlerstand, das ist noch die erträglichste von allen Positionen, die mir momentan einfallen. Dieses Brennen, diese Wehen, hört denn das nie auf? Die Hebamme versucht, mich weiter zu motivieren. Ich soll versuchen, tiefe Töne zu machen und nach unten zu schieben. (Ich bin nicht ganz sicher, ob sie das bei der Geburt gesagt hat oder ob die Hebamme im Geburtsvorbereitungskurs das so formulierte, aber irgendwann hieß es, bei den Presswehen sei es so, als müsse man eine Melone scheißen. Das fiel mir zwischendurch spontan ein.) Die Hebammenschülerin hält mir während einer Wehe meine Füße fest, das ist auch ganz hilfreich. So habe ich das Gefühl, festen Stand zu haben. 

Die Hebamme macht Vorschäge. (Auch das fand ich gut. Keine Vorschriften oder "Du mußt jetzt mal", sondern Vorschläge. So hatte ich wenigstens das Gefühl, meine Bedürfnisse mit entscheiden lassen zu können.) Vielleicht auch mal ein Positionswechsel? Hocker oder tiefe Hocke? Ich probiere mal den Hocker. Der Mann sitzt hinter mir auf der Bettkante und hält mich fest. Ein paar Wehen gehen ganz gut auf dem Ding, aber dann ist mir mein Steißbein im Weg. So gehts also nicht weiter. Tiefe Hocke? Wahnsinnig anstrengend, auch hier nur ein paar Wehen. Aber immerhin habe ich das Gefühl, wenigstens irgendwas getan zu haben. (Wahrscheinlich reichte es schon, daß ich mich überhaupt hin und her bewegt habe.)

Es ist kurz nach halb 5, als die Hebamme sagt, daß das Köpfchen schon zu sehen sei. Ob ich mal fühlen will? Nein, verdammt, will ich nicht! Ich will, daß das Kind da jetzt rauskommt und zwar SOFORT und EGAL WIE! Die Schmerzen sind nicht mehr zu ertragen, es brennt, macht was, helft mir oder sagt mir verdammt noch mal, was ich machen kann...! Ich habe den Eindruck, es geht überhaupt nicht vorwärts. 

4:40 Uhr: Die Hebamme schlägt den Hirtenstand vor (ein Bein kniend, ein Bein aufgestellt, so ist das Becken am weitesten geöffnet. Ich denke, ich muß ich mit den Armen irgendwo abgestützt haben, aber ich weiß nicht mehr, wie und wo und was. Anstrengend, ich gehe noch mal in den Vierfüßlerstand, so kann der Mann auch wieder aufs Kreuzbein drücken. Die Wehen bringen mich um.

4:50 Uhr: Die kindlichen Herztöne sind in den letzten 2 Stunden von 142 bis ca. 99 runtergegangen, das sei aber noch ok, sagt die Hebamme später. (Noch später sagt sie, daß Minimeins seine Nabelschnur als Schal benutzt und einmal um den Hals gewickelt hatte. Nun, wer's tragen kann...)

4:55 Das Köpfchen ist geboren. Ich kann es nicht fassen, vor allem aber kann ich mich nicht mehr bewegen, ich bin so erschöpft. "Noch eine Wehe, bald ist es geschafft" sagt die Hebamme. Die nächste Wehe kommt. Es macht "flatsch" und der Rest vom Kind und ein riesiger Schwall Fruchtwasser platschen aus mir heraus. (So viel Fruchtwasser war es gar nicht, klang nur so.)

Es ist 4:57 Uhr. Minimeins ist geboren und brüllt. Ich bin zu ausgelaugt, um das Kind hochzuheben, gleichzeitig befürchte ich, daß ich, sollte ich es versuchen, aufs Kind drauffalle (ich war im Vierfüßlerstand, nicht in der Rückenlage). Mir tut gefühlt alles weh und gleichzeitig ist der Schmerz doch weg. Es bißchen seltsam, ein bißchen taub alles. Ich bitte um Hilfe, dabei tauche ich auch langsam aus meiner Käseglocke wieder auf. Die Hebamme reicht mir mein Kind und gleichzeitig hilft mir irgendjemand, mich ins Bett zu legen. Ich habe schon länger keine Brille mehr auf (ohne bin ich blind wie ein Maulwurf), daher muß ich erst mal danach fragen, ob sie mir jemand wieder holt und mir bitte auch das Geschlecht des Kindes sagt. Ein Junge.

Ich liege im Bett, mein Baby auf dem Bauch und bin sehr fasziniert. Minimeins stöhnt ein bißchen vor sich hin. Ist ja auch für ihn anstrengend gewesen. Ein wenig Käseschmiere ist noch dran, ganz wenig Blut und er guckt mich mit ganz großen, wachen Augen an. Ich fühle mich gleichzeitig wie vom Bus überfahren (physisch) und euphorisch (psychisch), aber auch ausgelaugt (psychisch). Das im Backofen vorgewärmte Handtuch kommt auch zum Einsatz und wärmt das Kind von oben. 

Eine Viertelstunde nach dem Kind wird auch die Plazenta geboren. Minimeins stöhnt nicht mehr vor sich hin. Als die Nabelschnur auspulsiert ist, schneidet der Mann sie durch, aber ich weiß nicht mehr genau, wann das war. Ich schaue mir die Plazenta genau an. Sieht ein bißchen aus wie eine vom Schaf (an was man sich plötzlich erinnert...?), nur größer. Schon ziemlich interessant. Aber ich will sie trotzdem nicht behalten.

Die Hebamme sagt, daß meine Blutung ok sei und ich habe ein paar leichte Nachwehen. Das ist gut und muß so, damit die Gebärmutter sich wieder zusammenzieht. (Ach ja, da war was, das kam auch im Geburtsvorbereitungskurs vor. Hatte ich vergessen.)

Um halb 6 untersucht die Hebamme mich und stellt einen Dammriss zweiten Grades sowie Schürfungen fest. Genäht wird später, jetzt soll ich erst mal versuchen, ob das Kind trinken möchte. Dazu muß ich es erst mal abbekommen, es ist nämlich plötzlich auf meinem Bauch festgeklebt. Hat gleich mal das Mekonium ausgeschieden und das klebt wie die Pest. Gar nicht so einfach, das Kind da abzubekommen, v.a. wenn man sich noch nicht so richtig traut, das Kind anzufassen und zu bewegen. Geht aber dann doch irgendwie. (Plopp.)

Die Hebamme zeigt mir, wie ich das Kind am besten an die Brust andocke und Minimeins nimmt auch gleich mal einen Zug (er konnte also schon immer gut essen). Wir können uns alle drei ein bißchen zusammenkuscheln, der Mann, das Baby und ich. Danach, so gegen 6, näht die Hebamme den Dammriss wieder zusammen. Das ist unangenehm, aber andererseits bin ich inzwischen irgendwie wie auf Drogen, leicht high. Währenddessen hält der Mann das Kind auf dem Arm. (Irgendwie wirkt er verkrampft dabei, als traute er sich kaum, sich zu bewegen. Ich glaube, das war auch so, mangels Erfahrung, wie man denn mit so einem winzigen Menschenkind umgeht. Ich war am Anfang auch übervorsichtig. Aber das spielt sich ein.)

Um halb sieben meint die Hebamme, ich solle jetzt mal aufstehen und ein bißchen duschen. Ich lache, aber sie meint das ernst. Mein Kreislauf lacht auch und bleibt erst mal liegen, als ich aufstehen will. Mit vereinten Kräften der Hebamme und der Hebammenschülerin (eine rechts, eine links haken sie mich unter) komme ich doch noch hoch. Der Kreislauf meint, er hätte noch nen Termin, ich solle doch schon mal vorgehen. Es ist mehr schleifen als laufen, finde ich, aber Hebamme und Schülerin bekräftigen mich, daß ich das gut machen würde und immer schön nach oben sehen solle. Im Bad angekommen, ist auch der Kreislauf (der faule Hund) wieder da. Erst mal ein bißchen abbrausen. Hm, ja, ein bißchen blutig ist es an den Beinen, aber das hatte ich mir schlimmer vorgestellt.

Gegen sieben wird das Kind vermessen und die U1 gemacht (bei der z.B. Finger und Zehen nachgezählt werden - es ist alles ordnungsgemäß verteilt und angebracht). Minimeins ist ein kleiner Brocken und wiegt 4.200 g auf 56 cm. Die Länge überrascht mich weniger, das Gewicht schon eher. Wo hatte sich das denn alles versteckt im nicht allzugroßen Bauch? Es muß da eine vierte Dimension geben... Er hat einen Kopfumfang von 37 cm. Das erklärt auch, warum das Kreuzbein so stark schmerzte: es mußte sich schon sehr stark dehnen, eben mehr, als wenn da "nur" 34 cm Kopf durchmüssen. (Gut, daß ich das nicht vorher wußte...) Irgendwann ziehen wir das Kind und mich auch ein wenig an.

Die Hebamme macht noch ein bißchen Papierkram, der Mann wuselt rum (ich glaube, er ist zu aufgeregt, um sich jetzt zu uns zu kuscheln, aber es wäre schon schön gewesen, wenn er sich dazu hätte durchringen können) und dann erklärt uns die Hebamme noch mal, was wir in den kommenden 24 Stunden so machen (ehrlich gesagt, ich habe keinen blassen Schimmer mehr, was sie gesagt hat, aber irgendwas hat sie gesagt) und daß sie am nächsten Tag wiederkäme (für den Tag hatten wir eh einen Vorsorgetemin ausgemacht). Dann geht sie und wir bleiben allein zu Hause.

Der Mann muß dann noch mal kurz ins Büro, um irgendwelche Dinge wegzuräumen bzw. den Kollegen auf den Schreibtisch zu delegieren, ich schiebe deswegen etwas Panik, weil ich am ersten Tag noch nicht ohne Hilfe aus dem Bett ins Bad komme. Schlafen kann ich nicht, ich bin so voller Adrenalin. Minimeins dagegen pennt sich die Geburt aus den Knochen. Immer wenn er sich meldet, lege ich ihn an die Brust, weil ich nicht so recht weiß, was ich sonst mit so einem Kind machen soll und der Mann übt Wickeln. Ich darf in meinem eigenen Bett liegen, das ist schon großer Luxus. Und ich muß nicht den Ort wechseln, muß nicht irgendwelche Treppen steigen, sondern kann mich einfach erholen.





11. Frage: Ich würde wieder zu Hause gebären wollen


Ja, auf jeden Fall, gar keine Frage! Das ist für mich die stimmigste und bedürfnisorientierteste Möglichkeit, meine Kinder auf die Welt zu bringen. Darum darf das Raketenbaby auch zu Hause zur Welt kommen. (Ich hoffe, das klappt auch so.)

Alle Fragen der Reihe.

Hier übrigens ein positiver Bericht einer Krankenhausgeburt, hier in eher negativer (wobei letzterer mich ziemlich berührt, denn der Verlauf der Geburt war ja ähnlich meiner oben beschriebenen, nur eben im Krankenhaus - und die Frau hat ihr sechstes Kind bekommen, nicht etwa das erste). Und hier noch mal ein paar allgemeine Fakten über Hausgeburten (objektiver als meine sehr subjektive Zusammenstellung hier).

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1 Comments:

  • Das hört sich alles wunderbar an. Dieses ambivalente Gefühl hatte ich GENAUSO auch an genau diesem Mittwoch vor Pfingsten. Und am Donnerstag auch noch.
    Ich bin unsäglich neidisch. Die nächste Geburt wird sicher auch toll :-)

    By Anonymous ichbindiegute, at 19. Januar 2015 um 22:14  

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